Am 13. Juni 2024 folgten Bauherren/-innen, Bauunternehmen und Planer/-innen unserer Einladung zur Fachtagung in Rubigen. Unter dem Motto «Auf gute Zusammenarbeit! Allianz im Bau schafft Mehrwert für alle» haben wir mit rund 150 Teilnehmenden über die Vorteile und Herausforderungen kollaborativer Arbeitsformen diskutiert. Mit dieser Veranstaltung ist es uns gelungen, eine Plattform für intensive Diskussionen, Vernetzung und inspirierende Einblicke in die Zukunft des Bauens zu bieten.
Frühe Einbindung und Menschen
Unser VR-Delegierter und Vorsitzender der Geschäftsleitung, Pascal Remund, ist engagierter Befürworter der kollaborativen Zusammenarbeit. Er ist überzeugt, dass Projekte dadurch an Qualität gewinnen, unter anderem weil langwierige Diskussionen und Verzögerungen zu einem grossen Teil vermieden werden können. «Je früher die verschiedenen Parteien und damit auch die Unternehmer ihr Fachwissen einbringen können, desto mehr profitiert das Projekt bzw. der Besteller von einem optimierten Projektverlauf und einem hochwertigen Endergebnis.» Aus eigener Erfahrung weiss Remund, dass es neben der Fachexpertise einen weiteren Schlüssel zum Erfolg gibt: das Zwischenmenschliche. «Vertrauen und Zuverlässigkeit sind das Fundament, auf dem wir bauen.»
Vertrauen und klare Kommunikation
Prof. Peter Scherer, Professor am Institut Digitales Bauen der FHNW und Managing Partner der Righetti Partner Group AG, forderte ein Umdenken in der Bauindustrie: «Erfolgreiche Projekte basieren nicht auf Schuldzuweisungen, sondern auf Vertrauen und klarer Organisation und Kommunikation.» Er teilte seine Praxis-Erfahrung: «Die besten Projekte entstehen gemeinsam. Der Projekterfolg ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Er muss organisiert und laufend überwacht werden, da die Rahmenbedingungen ändern können.» Seine wichtigsten Erkenntnisse umfassen die gemeinsamen Zieldefinitionen, die Notwendigkeit zur Veränderung der Arbeitsweise, die Rolle von Führung und die Konkretisierung grosser Begriffe wie Zusammenarbeit, Kommunikation, Transparenz und Vertrauen in der eigenen Organisation und im Projekt.
Rechtlich machbar – IPA-Modelle in der öffentlichen Beschaffung
Dr. Wolf S. Seidel, Rechtsanwalt bei Seidel & Partner Rechtsanwälte AG, beleuchtete die aktuellen Herausforderungen und wies darauf hin, dass die Baubranche durch den steigenden Druck von Umweltfaktoren und Nachwuchsproblemen nicht um systematisierte Zusammenarbeitsformen herumkommt. «Alle sind betroffen», betonte Seidel. «Besonders die Bauherrschaften – denn die Erreichung der Klimaziele 2050 kann nur mit Innovationen und einer deutlich gesteigerten Produktivität auf dem Bau wirklich verfolgt werden .» Integrierte Projektabwicklungsmodelle (IPA) bieten einen Lösungsansatz: «Sie ermöglichen erhebliche Effizienzgewinne bei gleichzeitiger Reduktion wesentlicher Risiken.» Eine gemeinsame transparente Zielsetzung und ein “alignment of interest” sind neben einer offene Kommunikation die Startpunkte für eine erfolgreiche Projektabwicklung. Besonders interessiert horchte das Publikum auf, als Seidel klarstellte: «Solche Arbeitsmodelle sind auch im öffentlichen Beschaffungsrecht rechtlich zulässig, sofern die Spielregeln bereits in der Ausschreibung klar deklariert werden.»
Ein neues Mindset für die Bauindustrie
Prof. Dr. Claus Nesensohn, Professor für Lean Construction und Integrierte Projektabwicklung sowie Mitbegründer von der refine Schweiz AG, plädierte für ein radikales Umdenken in der Baubranche. «Wir müssen davon wegkommen, Verantwortung hin und her zu schieben und mit dem Finger auf andere zu zeigen», betonte Nesensohn. «Integrierte Projektabwicklungsmodelle ermöglichen es uns, die bestehenden Herausforderungen durch innovative und kollaborative Ansätze zu überwinden.» Er hob hervor, dass Planen und Bauen soziale Prozesse sind, die durch gemeinsame Anstrengungen und Zusammenarbeit verbessert werden können. «Wir dürfen lernen, gemeinsam die besten Lösungen zu entwickeln und dabei traditionelle Denkweisen hinter uns lassen», so Nesensohn.
Vertrauen statt Wettbewerb – ein Blick in die Praxis
Anhand eines eindrucksvollen Praxisbeispiels zeigten wir dem Publikum, wie erfolgreiche Zusammenarbeit aussehen kann. Unser Geschäftsbereichsleiter Rückbau + Aushub, Marcel Vetsch, , berichtete gemeinsam mit Aurélien Fontanges, Leiter Ausführung Espace Mittelland Losinger Marazzi AG, über ihre positiven Erfahrungen im Projekt Aarerain in Worblaufen. Der Auftrag wurde ohne Wettbewerb und Ausschreibung, dafür mit viel Vertrauen und Kompetenz durchgeführt.
Bei diesem Bauvorhaben konnten wir unsere Innovationskraft im Tiefbau beweisen. Unserem Team um Bauführer Melchior Pieren gelang es – unter engen Platzverhältnissen und unter Berücksichtigung archäologischer Funde und schützenswertem Baumbestand – auf kreative Weise grosse Kanalisationsleitungen effizient und in kürzester Zeit umzulegen.
Fairness und Vertrauen prägen unsere langjährige Zusammenarbeit mit der Losinger Marazzi AG. «Darauf können wir auch bei harten Verhandlungen bauen», so Fontanges. Felix Jäggi vom technischen Büro bei Losinger Marazzi AG bestätigte: «Wir haben erkannt, wie viel Potenzial darin liegt, wenn Kompetenzen vereint werden.» Die enge Abstimmung und das flexible Handeln ermöglichten es, das Projekt laufend mit neuen Ideen zu optimieren. «Unsere positive Erfahrung bei der kollaborativen Zusammenarbeit im Projekt Aarerain bestätigt, dass Vertrauen und Kompetenz die Schlüssel zum Erfolg sind», fasste Vetsch zusammen.
Herausforderungen gemeinsam meistern
Auf dem Podium stiessen Thomas Roth (u.a. Roth Baudienstleistungen GmbH) und unser Geschäftsführer Urs Marty zu den Referenten und bereicherten die Diskussion um die Perspektive des Bauherrn und des Bauunternehmers. Die Gespräche konzentrierten sich auf die gemeinsamen Herausforderungen und Lösungen der Bauindustrie. Auch über die Rolle der öffentlichen Ausschreibungen und die Motivation der Behörden wurde gesprochen.
Prof. Peter Scherer fasste die Diskussion prägnant zusammen: «Wer nicht klar, offen und transparent kommuniziert, ist der Verlierer in diesem System.» Man war sich einig, dass es bei der Zusammenarbeit nicht nur um technische Aspekte geht, sondern vor allem um das gemeinsame Lernen und die Bereitschaft, innovative Lösungen zu finden. «Die Herausforderungen unserer Zeit erfordern eine enge Kooperation und den Mut, neue Wege zu gehen», sagte Thomas Roth, der selbst auch die Rollen des Bauherrn und der Bauherrenvertretung innehat. Prof. Dr. Claus Nesensohn ergänzte: «Wir müssen die Interessen aller Beteiligten verstehen und ernst nehmen, um erfolgreiche Projekte zu realisieren.»
Unser Geschäftsführer Urs Marty betonte die Wichtigkeit von praktischen Erfahrungen und unsere Bereitschaft, uns auf kollaborative Arbeitsformen einzulassen: «Unsere bisherigen Erfahrungen zeigen: eine enge Zusammenarbeit führt zu besseren Ergebnissen. Wir sind bereit, Zeit und Ressourcen in lehrreiche kollaborative Projekte zu investieren. Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir mutig kleine Schritte gehen, um Grosses zu erreichen.»